ifo Institut: Bildungschancen - weniger Ungleichheit durch frühkindliche Bildung und spätere schulische Selektion

bildquelle: ifoDie Ungleichheit der Bildungschancen lässt sich am besten mit dem Ausbau eines frühkindlichen Bildungssystems und einer späteren schulischen Auswahl verringern. Zu diesen Ergebnissen kommen die ifo-Bildungsexperten Ludger Wößmann und Gabriela Schütz in ihrer aktuellen Studie, die in der Reihe "Ökonomische Beiträge zur Schuldebatte" im neuesten ifo Schnelldienst erschienen ist.
 

ifo Institut: Bildungschancen - weniger Ungleichheit durch frühkindliche Bildung und spätere schulische Selektion

Die Ungleichheit der Bildungschancen lässt sich am besten mit dem Ausbau eines frühkindlichen Bildungssystems und einer späteren schulischen Auswahl verringern. Zu diesen Ergebnissen kommen die ifo-Bildungsexperten Ludger Wößmann und Gabriela Schütz in ihrer aktuellen Studie, die in der Reihe "Ökonomische Beiträge zur Schuldebatte" im neuesten ifo Schnelldienst erschienen ist.

bildquelle: ifoWößmann und Schütz stützen ihre Forderungen auf eine umfangreiche Auswertung der bekannten internationalen Schülervergleichstests, wie PISA, TIMSS und IGLU. In der neuesten Arbeit konzentrieren sie sich auf den Einfluss des familiären Hintergrunds als Maß für die Chancenungleichheit. "PISA hat uns zum wiederholten Mal vor Augen geführt, dass insbesondere in Deutschland die Schülerleistungen stark vom familiären Hintergrund abhängen", erklärt Wößmann. In den berichteten Ergebnissen, die insbesondere auf den TIMSS-Studien beruhen, liegt Deutschland an vierter Stelle der ungleichsten OECD-Länder. Für die Realität bedeutet dies, dass Kinder von gebildeten Eltern wesentlich bessere Schülerleistungen erzielen als Kinder aus weniger gebildeten Familien. Die meisten anderen Länder verwirklichen das Ziel einer hohen Chancengleichheit für Kinder aus unterschiedlichen Elternhäusern dagegen weit besser.

Die Chancenungleichheit lässt sich verringern, wenn möglichst viele Kinder frühkindliche Bildungseinrichtungen besuchen. Wenn dies für alle Kinder zutrifft, sinkt der familiäre Einfluss um etwa 17%, und die Chancen für Kinder mit einem weniger gebildeten familiären Einfluss steigen. Auch eine Verlängerung der frühkindlichen Bildungszeit führt zu weniger Ungleichheit. Aus der Sicht von Wößmann reicht es aber nicht, einfach mehr Kindergartenplätze bereitzustellen: "Deutschlands Kindergärten müssen einen Bildungsauftrag wahrnehmen, nicht nur die Betreuung von Kindern".

Eine zweite Schwäche sehen Wößmann und Schütz in der zu frühen schulischen Selektion, also der Verteilung der Kinder nach der Grundschule auf die drei Schultypen Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Die Datenlage zeigt eindeutig, dass eine spätere schulische Selektion die Chancenungleichheit der Schüler sinken lässt. Verschiebt man die Selektion um vier Jahre, verringert sich der Einfluss des familiären Hintergrunds in ähnlicher Weise wie bei der Einführung eines flächendeckenden Besuchs frühkindlicher Bildungseinrichtungen. In der ifo-Analyse erweist sich Deutschland als das Land, in dem die Ungleichheit zwischen dem Ende der Grundschule, zu dem hierzulande die Selektion stattfindet, und dem Ende der Mittelstufe am stärksten von allen betrachteten Ländern ansteigt.

Demgegenüber findet die Untersuchung keinen systematischen Unterschied in der Chancengleichheit zwischen Ländern mit Ganztags- und Halbtagsschulsystemen. Auch gibt es keinen Beleg dafür, dass ausgeglichenere Bildungschancen mit einem niedrigeren Leistungsniveau erkauft werden müssten. "Wenn Schulen alle Schüler zur Erreichung ihres höchsten Potentials herausfordern, kann ein effizientes Bildungssystem auch gleichheitsfördernd sein", meint Wößmann.

"Unsere Ergebnisse zeigen Lösungsvorschläge für ein ausgeglicheneres Bildungssystem auf", resümiert Wößmann. Gleichzeitig kritisiert er, dass die nationalen PISA- und TIMSS-Daten der Bundesländer nicht wie die internationalen Daten für Forscher zugänglich sind und viele wertvolle Informationen über die Unterschiede zwischen den Bundesländern nicht analysiert werden können.

Der Beitrag "Wie lässt sich die Ungleichheit der Bildungschancen verringern?" von Ludger Wößmann und Gabriela Schütz ist als vierter und letzter Beitrag in der Reihe "Ökonomische Beiträge zur Schuldebatte" im ifo Schnelldienst 21/2005 erschienen.

Quelle: ifo