Die eigene Chefin sein - was motiviert Frauen zur Selbstständigkeit? Fragen an Prof. Ann-Kristin Achleitner, Inhaberin des KfW-Stiftungslehrstuhls für Entrepreneurial Finance an der Technischen Universität München.

Die eigene Chefin sein - was motiviert Frauen zur Selbstständigkeit? Fragen an Prof. Ann-Kristin Achleitner, Inhaberin des KfW-Stiftungslehrstuhls für Entrepreneurial Finance an der Technischen Universität München.

Warum wagen so wenige Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit?

Es gibt zu viele Hindernisse. Neben der Doppelbelastung durch Familie und Unternehmen zögern viele Frauen wegen zu geringer Management-Erfahrung und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse und scheuen die Probleme bei der Kapitalbeschaffung, die sich daraus ergeben. Welche Erfahrung Frauen in Beruf, Branche oder Führungsebene gemacht haben, ist letztlich entscheidend: Gründungen werden nämlich meistens in bekanntem Terrain angestrebt.

Weil Frauen selten in leitenden Unternehmensfunktionen - sprich Chefetagen - zu finden sind, gründen sie auch seltener Unternehmen?

In der Tat: Nur 33 Prozent der deutschen Führungskräfte sind weiblich, auf Geschäftsführer- oder Direktorenebene stellen Frauen sogar nur einen Anteil von 21 Prozent. Wer heute keine Führungserfahrung gesammelt hat, gründet morgen nicht ein Unternehmen. Ursachen für die niedrige Gründungsquote sind aber auch schon im Studium zu suchen. So verlangen gerade besonders aussichtsreiche Gründungen wirtschaftswissenschaftliches und technisches Know-how – in den entsprechenden Studienfächern sind Frauen allerdings deutlich unterrepräsentiert. Die Akademikerquote ist unter Gründerinnen im Vergleich zu Gründern niedriger, auch wenn sie hier langsam aufholen.

Welche Folgen hat das?

Frauen gründen eher kleine Unternehmen in wenig innovationsträchtigen Branchen mit geringen Wachstumschancen. Sie beackern damit das weite Feld der so genannten haushaltsbezogenen Dienstleistungen, wozu die Branchen Gesundheit, Erziehung, Gastronomie zählen. Gründer dagegen streben eher in die Industrie und in die unternehmensnahen Dienstleistungen wie Rechts-, Steuer-, Unternehmens oder IT-Beratung.

Was unterscheidet Existenzgründerinnen noch von Existenzgründern?

Frauen machen sich später als Männer selbstständig – das hängt auch mit der Kinderpause zusammen. Existenzgründerinnen suchen zudem ihre Kunden weniger in fernen Ländern, sondern im regionalen Umfeld. Darüber hinaus ist der Anteil der Frauen, die aus der Not heraus gründen, größer als bei Gründern.

Gründen in der Not?

Ja, anders kann man das nicht nennen – das Motiv der Gründung ist nämlich oft der Mangel an besseren Erwerbsalternativen, also um beispielsweise einer drohenden Arbeitslosigkeit zu entkommen oder um sich zum spärlichen Einkommen im Nebenerwerb etwas hinzuzuverdienen. Es gibt aber bei Frauen wie Männern glücklicherweise auch viele, die sich bewusst fürs Unternehmertum entscheiden.




Was reizt Frauen an der Selbstständigkeit?

Der Aufbaugedanke fasziniert viele. Auch reizen die Herausforderung sowie die Chance, die eigenen Fähigkeiten ganzheitlich einzusetzen und sich in gewisser Weise selbst zu verwirklichen. Bei solchen chancengetriebenen Gründungen steht die Möglichkeit im Vordergrund, eine innovative Geschäftsidee ausnutzen, um eine bislang noch nicht entdeckte profitable Nische zu besetzen.

Job und Familie – in der Selbstständigkeit besser oder schlechter unter einen Hut zu bekommen?

Selbstständigkeit und Familie schließen sich nicht aus. Die Vereinbarkeit hängt aber stark von der Unternehmensphase ab: Muss das Geschäft noch aufgebaut und Mitarbeiter und Kunden akquiriert werden – oder können bereits Arbeiten delegiert werden? Wichtig ist auch, inwieweit die Arbeitsbelastung planbar ist. In einigen freien Berufen wie der Steuerberatung beispielsweise können Arbeitszeiten durchaus gut vorausgeplant werden.

Grenzenlos flexibel, jederzeit erreichbar – und immer da für das Kind: Wie tragen Mütter am besten Verantwortung fürs Kind und fürs Unternehmen?

Durch sehr gute Selbstorganisation. Das ist nicht immer leicht, aber durchaus machbar. Die Unterstützung durch den Partner und Selbstdisziplin helfen dabei. Mütter werden feststellen, dass Sie mit der Aufgabe wachsen und mit der Zeit lernen, sich und ihre Umwelt besser zu managen. Nützlich sind ferner moderne Kommunikationsmittel, um auch dann für Mitarbeiter oder Kunden erreichbar zu sein, wenn man nicht vor Ort ist.

Was machen Länder mit höherer weiblicher Selbstständigenquote besser?

Deutschland bietet Gründerinnen schlechte Rahmenbedingungen. In Untersuchungen wie dem Global Entrepreneurship Monitor belegt Deutschland nur Rang 29 von 31 Ländern. Die mit Abstand schlechtesten Noten gibt es für die soziale Infrastruktur, die Frauen hier zu Lande hindert, weiterhin zu arbeiten, wenn sie eine Familie gründen. Der berufliche Erfolg von Frauen hängt daher in sehr hohem Maße davon ab, wie lange sie durch Kinderbetreuung aus dem Beruf ausscheiden oder in Teilzeitarbeit gehen. Besonders die skandinavischen Länder schneiden in diesem Punkt sehr gut ab.

Was ist nötig, um mehr Frauen zur Selbstständigkeit zu motivieren?

Notwendig ist ein Mentalitätswechsel. Junge Frauen müssen schon sehr früh im Leben mit den Chancen des Unternehmertums vertraut werden. Es gilt, die Vorbildfunktion erfolgreicher Gründerinnen zu fördern. Je mehr gesellschaftliche Anerkennung diese erfahren, desto mehr kann man potenziellen Gründerinnen die Angst vor einem Scheitern nehmen. Außerdem bestehen immer noch Informationsdefizite bei Frauen hinsichtlich geeigneter Förderungsmöglichkeiten und den großen Chancen der Selbstständigkeit.

Quelle: kfw.de