Unterhaltung, Information, Meinung und Unsinn produzieren und präsentieren

Viele erinnern sich an die Gründertage des Internets Anfang der 90er Jahre, als all die milliardenschweren Unternehmen von heute kleine Startups mit seltsamen Ideen waren. Viele werden neue, clevere Wege finden, um Geld aus diesen Seiten herauszuholen und viele werden von den großen geschluckt, sobald ihre Dienste von Interesse sind: Yahoo kaufte Flickr.com, und upcoming.org, Google hat sich dodgeball.com geschnappt. Es geht eben um viel Geld.

Geld, das sind beispielsweise Informationen. Gmail etwa, so sagen Datenschützer in Deutschland, sei kaum mit Artikel 10 des Grundgesetzes vereinbar, dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses. In der Betaversion durchsucht Gmail sämtlich E-Mails, um kontextbezogene Werbung einblenden zu können. Auch Yahoo verdient sein Geld letzen Endes damit, aus den User-Daten Werbeangebote zu schneidern. Vertrauen ist ein wichtiges Gut.

Möglicherweise durchsucht Google irgendwann auch IP-Telefonate über Google Talk nach Stichworten, wenn man entsprechende Suchanfragen stellt. So kann man sich das Internet natürlich auch vorstellen.

Flickr und Youtube waren nur der Anfang. Nachrichten, Musik, Bilder, Videos - alles taugt zum Remix. Werkzeuge gibt's online. Willkommen im Zeitalter der "MashUps!" Jede erzählende Passage oder poetischer Bilder, können beliebig oft variiert werden, und alle Variationen können in sich interessant und gültig sein. In der Praxis nehmen Künstler eine Schere zerschneiden etwas setzte es neu zusammen (Remix). Mashup nennen es Remixer wenn diese Alben von Curt Cobain und den Bee Gees vermischen und so einen Download-Hit erschaffen. "Mashups" sind Urheberrechte mit Füßen tretende, anarchische, dekonstruktivistische Kunstwerke - und manchmal besser als das Original. Nirvana trifft Boney M, Madonna meets Metallica.

Im neuen Mitmach-Web, in dem jeder für jeden Unterhaltung, Information, Meinung und Unsinn produzieren und präsentieren kann, ist "Mashup" das dominierende Prinzip. Blogger remixen Nachrichten, Hobbyfotografen mixen Fotos - zum Beispiel bei Flickr -, Hobbyprogrammierer remixen ganze Webseiten. Privates und professionell Erstelltes wird eins. Alles ist Rohmaterial. Die erste Stufe der weltvernetzten Gesellschaft, in der jeder zum "Content Provider" wird, war die Ära der privaten Webseiten. 

Dann kamen die Blogs. Multimedia schwappte durch die Breitbandleitungen und plötzlich waren Bilder, Klänge und Videos selbstverständlicher Bestandteil des globalen Unterhaltungs-Informations-Mischmasch. Jetzt greifen die Vorausmarschierer unter den Netzbürgern hinein in diesen gigantischen Datenwust, greifen sich Schnipsel heraus und basteln Collagen.

YouTube ist das Videoportal Nr. 1, Jumpcut.com und Eyespot.com kennt man auch. Auf diesen Seiten kann man all das, was man mit der eigenen Videokamera produziert oder aber bei einer der zahllosen Videoschnipsel-Seiten findet, remixen. Neu schneiden, mit Musik oder einer anderen Tonspur hinterlegen, bei Jumpcut sogar mit vergleichsweise ausgefeilten Videoschnitt-Effekten bearbeiten - und das alles online. Die einzige Software, die man braucht, ist ein Browser mit den entsprechenden Plugins. We call it Do-it-yourself-Mtv. 

Die so entstandenen Video-Mashups werden einer Gemeinschaft zur Verfügung gestellt, die sie kommentieren, weiterempfehlen - oder aber an sich nehmen und wieder neu abmischen. Ein globales Kunstprojekt und eine Spielwiese für Urheberrechtsanwälte.

Web 2.0 wie gehts weiter? 

Der nächste Schritt ist bereits getan - nicht nur Multimediales lässt sich neu abmischen, sondern auch die pure Information selbst. Webseiten-Mashups gelten als Paradebeispiel für das, was allerorten mit dem sehr dehnbaren Begriff "Web 2.0" belegt wird: Das demokratische Netz, an dem alle teilhaben und zu dem alle beitragen.

Bislang sind Seiten-Mashups am häufigsten Verknüpfungen der Daten verschiedener Informationsquellen, allen voran Google Maps: Es gibt Seiten, die Wikipedia-Einträge mit den passenden Orten auf einer interaktiven Karte verknüpfen oder Reisereportage-Seiten, die Texte und Fotos über den Globus verteilen und dabei die Leserschaft tippgebend an der weiteren Planung teilhaben lassen .

Es gibt Mashups von MySpace-Nutzerprofilen und Flickr-Fotostrecken mit Karten der USA. Auf einem Stadtplan von New York kann man alle verfügbaren Verkehrs-Kameras anklicken und sich Livebilder ansehen (und dabei dem New Yorker Polizeifunk lauschen, wenn man das möchte). Auch die "Washington Post" masht mit Ebenso einfach wie Google Maps lassen sich RSS-Feeds remixen - die klickbaren Schlagzeilen von Blogs und Nachrichtenseiten sind einfach zu rearrangieren, lassen sich wiederum mit Ortsinformationen kombinieren, mit Bildern verknüpfen oder nach Stichworten in semantischen Punktwolken anordnen. Die "Washington Post" stellt ihre RSS-Feeds seit einiger Zeit ganz offiziell zum Remix zur Verfügung. Auch die anderen Großen haben aber verstanden, dass die Netz-Masher ihnen am Ende nur nutzen können.

Google, Amazon, eBay, Yahoo - alle stellen ihre "application programming interfaces" (APIs) Entwicklern zur Verfügung. Üblicherweise gibt es gewisse Hürden - Interessenten müssen sich offiziell als solche anmelden oder doch wenigstens einen Account bei dem entsprechenden Anbieter haben - dann aber kann man mit Google Maps spielen, das eBay-Interface verschlanken oder eine Blogsuchmaschine in seine Webseite integrieren. Wer nicht programmieren kann, für den gibt es für einfache Mashups sogar Online-Editoren. 

Die Anwendungen reichen von aufwendig mit vielen Zutaten personalisierten Privatseiten - mit abrufbarer Amazon-Wunschliste, RSS-Feeds von Weblogs aus dem Bekanntenkreis, Verknüpfungen mit Flickr-Fotostrecken und als interessant markierten Meldungen der Nachrichten-Community-Seite del.icio.us - bis hin zu komplexen Alternativ-Startseiten. Die kombinieren dann Feeds von verschiedensten Nachrichtenlieferanten mit ein paar YouTube-Videos, Flickr-Bildern - und der Möglichkeit für Leser, eigene Schlagzeilen samt Webadresse zu diesem breiten Datenstrom hinzuzufügen.

Willkommen im Web 3.0.

Quelle: berlin-startup