Expansion der Weltwirtschaft wird sich etwas abschwächen, aber im längerfristigen Vergleich kräftig bleiben

Der Aufschwung der Weltwirtschaft hält im Herbst 2006 weiterhin an, er hat sich jedoch im Verlauf des Jahres etwas verlangsamt.


Expansion der Weltwirtschaft wird sich etwas abschwächen, aber im längerfristigen Vergleich kräftig bleiben

Der Aufschwung der Weltwirtschaft hält im Herbst 2006 weiterhin an, er hat sich jedoch im Verlauf des Jahres etwas verlangsamt.

Ausschlaggebend dafür war, dass die konjunkturelle Dynamik in den USA, und in geringerem Maße auch in Japan, nachließ. Dies wurde durch eine Beschleunigung der Expansion im Euroraum und in Großbritannien nicht aufgewogen. In den Schwellenländern blieb der Produktionsanstieg kräftig; dabei hat er sich in China im ersten Halbjahr noch einmal verstärkt, in den übrigen ostasiatischen Schwellenländern insgesamt eher verlangsamt. Die Unterschiede in der Dynamik zwischen den Industrieländern sind überwiegend dadurch bedingt, dass sich die Volkswirtschaften in verschiedenen Phasen des konjunkturellen Zyklus befinden. Die Rohstoffpreise stiegen in den ersten Monaten 2006 auch aufgrund der lebhaften Weltkonjunktur weiter stark. Die Preisbewegung auf den Rohstoffmärkten schlug auf die Verbraucherpreise durch; die Lohnkosten erhöhten sich in den Industrieländern zumeist moderat. Die Expansion der Weltwirtschaft wird sich im Prognosezeitraum etwas abschwächen, aber im längerfristigen Vergleich kräftig bleiben. Insgesamt wird das reale Bruttoinlandsprodukt der Welt – in der Abgrenzung der Gemeinschaftsdiagnose – im Jahr 2006 um 3,7 % und im Jahr 2007 um 3,1 % zunehmen. Der Welthandel expandiert in diesem Jahr um 8,5 % und im Jahr 2007 um reichlich 7 %. Der Anstieg der Preise schwächt sich etwas ab.

Die Wirtschaft des Euroraums befindet sich im Aufschwung. Der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts hat sich vor allem in den Ländern erheblich beschleunigt, die, wie etwa Deutschland und Italien, in den Vorjahren unterdurchschnittliche Zuwächse verzeichneten. Die wesentlichen Impulse kamen von der Binnennachfrage, da insbesondere die Anlageinvestitionen kräftig ausgeweitet wurden. Der private Konsum legte leicht beschleunigt zu; die Bauinvestitionen expandierten spürbar. Auch der Außenbeitrag erhöhte sich, da die Exporte deutlich stärker als die Importe stiegen. Die EZB hat vor dem Hintergrund der anziehenden Konjunktur ihren geldpolitischen Kurs gestrafft, um zunehmenden Inflationsrisiken rechtzeitig entgegenzuwirken. Sie wird ihren maßgeblichen Leitzins bis zum Ende des laufenden Jahres auf 3,5 % anheben und im kommenden Jahr auf diesem Niveau belassen. Dieser Satz dürfte in etwa dem neutralen Zinsniveau entsprechen. Die Lage der öffentlichen Haushalte im Euroraum hat sich leicht verbessert. Im kommenden Jahr wird die wirtschaftliche Expansion kräftig bleiben, sich jedoch infolge der nachlassenden expansiven Wirkung der Geldpolitik und des sich abschwächenden Booms der Weltwirtschaft etwas verlangsamen. Das reale Bruttoinlandsprodukt im Euroraum wird im Jahr 2007 um 2,1 % zunehmen, nach 2,6 % in diesem Jahr. Die Inflationsrate wird im Jahr 2006 bei 2,2 % und im Jahr 2007 bei 2,1 % liegen.

Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft hat sich in diesem Jahr erheblich verstärkt. Bei weiterhin kräftig steigenden Exporten wird er zunehmend von der Inlandsnachfrage getragen. Angesichts der anhaltend kräftigen Expansion der Weltwirtwirtschaft wird die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen in diesem Jahr um 10 % steigen. Die weiter verbesserten Absatz- und Ertragserwartungen der Unternehmen und die gestiegene Kapazitätsauslastung führen zu einer Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen um knapp 7 %. Die Bauinvestitionen steigen nach einem zehn Jahre währenden Rückgang zum ersten Mal wieder. Der private Konsum erholt sich nur zögerlich, allerdings wird er im zweiten Halbjahr durch Vorzieheffekte angeregt werden. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um 2,3 % steigen, arbeitstäglich bereinigt sogar um 2,5 %. Das ist die zweithöchste Wachstumsrate während der vergangenen zehn Jahre. Damit ist die Kapazitätsauslastung so deutlich gestiegen, dass die Unternehmen verstärkt Arbeitskräfte nachfragen. Die Zahl der Erwerbstätigen, vor allem auch die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nimmt spürbar zu, und die Arbeitslosenquote geht im Jahresdurchschnitt um etwa einen 3/4 Prozentpunkt auf 10,4 % zurück.

Die Ausgangslage für das kommende Jahr ist damit günstig, und es spricht vieles dafür, dass sich der Aufschwung fortsetzt. Allerdings schwenkt die Finanzpolitik auf einen merklich restriktiven Kurs ein. Per saldo dürfte die strukturelle Defizitquote durch finanzpolitische Maßnahmen im Jahr 2007 um 0,9 Prozentpunkte reduziert werden. Vor diesem Hintergrund besteht erhebliche Unsicherheit darüber, ob der Aufschwung schon so weit gefestigt ist, dass die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung auch im kommenden Jahr steigt. Die Unsicherheit resultiert auch daraus, dass es unterschiedliche Einschätzungen darüber gibt, in welcher Phase des Konjunkturzyklus sich die deutsche Wirtschaft gegenwärtig befindet.

Einige der hier vertretenen Institute erwarten, dass die Konjunktur in Deutschland im Jahre 2007 merklich an Tempo verliert. Die Inlandsnachfrage bleibe zwar aufwärtsgerichtet, sie sei aber noch nicht hinreichend gefestigt. Vor allem hätten sich die Einkommensaussichten nicht so weit verbessert, dass mit einem nachhaltigen Anstieg der Beschäftigung und des privaten Konsums zu rechnen sei. Alles in allem werde die gesamtwirtschaftliche Produktion im Verlauf des kommenden Jahres zwar weiter steigen, jedoch nur mit einer Rate, die in etwa dem trendmäßigen Wachstum entspricht.

Andere Institute sehen Anzeichen, dass der Aufschwung inzwischen so viel an Stärke gewonnen habe, dass die dämpfenden Faktoren die Expansion nur kurzfristig beeinträchtigten, die Kapazitätsauslastung anschließend aber weiter spürbar zunehme. Damit halte die Besserung auf dem Arbeitsmarkt an, so dass die Einkommen im Verlauf des Prognosezeitraums verstärkt stiegen und die Expansion nach und nach auch von den privaten Konsumausgaben gestützt werde.

Die vorliegenden Indikatoren geben keine eindeutigen Signale, welchem dieser Szenarien eine höhere Wahrscheinlichkeit beizumessen ist. Einerseits haben sich die Geschäftserwartungen der Unternehmen in den vergangenen Monaten eingetrübt, andererseits könnte die Verbesserung der Arbeitsmarktlage auf robuste Dynamik der Wirtschaftsentwicklung hinweisen. Die Prognose für 2007 wird durch weitere Unsicherheiten erschwert. Da die Mehrwertsteuer noch nie so stark erhöht wurde, ist es schwierig einzuschätzen, in welchem Maße die Finanzpolitik die Konjunktur dämpfen wird und wie stark die Vorzieheffekte ausfallen werden. Außerdem ist noch unklar, ob der zehn Jahre währende Rückgang der Bautätigkeit zum Stillstand gekommen ist oder ob er nur unterbrochen wurde.

Nach Abwägung der verschiedenen Argumente haben sich die Institute für eine mittlere Variante entschieden. Sie prognostizieren für das Jahr 2007, dass sich der Aufschwung mit schwächerem Tempo als in diesem Jahr fortsetzt. Das Bruttoinlandsprodukt wird demnach im Jahresdurchschnitt nur um 1,4 % zunehmen. Wesentliche Triebkraft bleiben die Ausrüstungsinvestitionen, die nochmals kräftig zunehmen, auch weil die Abschreibungsbedingungen mit Beginn des Jahres 2008 verschlechtert werden. Der private Konsum dürfte im Jahresdurchschnitt lediglich stagnieren, da die Realeinkommen durch die Maßnahmen der Finanzpolitik um rund 1 Prozentpunkt belastet werden. Auch werden die in dieses Jahr vorgezogenen Käufe fehlen. Allein dadurch wird der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2007 um etwa ¼ Prozentpunkt niedriger sein, als es ohne die Vorzieheffekte der Fall gewesen wäre. Die Exporte werden weniger stark zulegen als in diesem Jahr, da sich die Weltkonjunktur leicht abkühlt. Die schwächer steigende Binnennachfrage wird aber auch den Importanstieg dämpfen. Die Inflationsrate wird voraussichtlich auf 2,3 % anziehen.

Der Beschäftigungsaufbau dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen, allerdings mit deutlich geringeren Raten als in diesem Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen wird im Jahresverlauf nur noch wenig sinken. Im Jahresdurchschnitt geht die Arbeitslosenquote von 10,4 % auf 9,9 % zurück. Der Finanzierungssaldo des Staates in Relation zum Bruttoinlandsprodukt wird von -2,4 % in diesem Jahr auf -1,4 % im nächsten Jahr sinken.

Das sind gute Voraussetzungen dafür, durch wirtschaftspolitische Reformen die fundamentalen Probleme anzugehen, also vor allem den flachen Wachstumspfad zu erhöhen und die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit abzubauen.

In den vergangenen Jahren hat die Wirtschaftspolitik durchaus einiges unternommen, um die Wachstumsbedingungen und die Beschäftigungsaussichten zu verbessern. So wurde die Abgabenlast verringert sowie eine Reihe von Reformen auf dem Arbeitsmarkt und bei den sozialen Sicherungssystemen eingeleitet. Zudem trug eine moderate Lohnpolitik zur Wende auf dem Arbeitsmarkt bei. Die trendmäßige Wachstumsrate ist aber immer noch niedrig; außerdem ist die Arbeitslosenquote, insbesondere für die Niedrigqualifizierten, zu hoch.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vier Bereiche genannt, wo sie ansetzen will, um die Lage der deutschen Wirtschaft fundamental zu verbessern: Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die Reform der Unternehmensbesteuerung, die Reform im Gesundheitswesen und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Wenn man hier mit großen Schritten vorankäme, wären die Wachstumsperspektiven und die Aussichten für den Arbeitsmarkt am Ende der Legislaturperiode sicherlich wesentlich günstiger einzuschätzen, als dies gegenwärtig der Fall ist. Die entscheidende Frage ist daher, ob hier tatsächlich der große Durchbruch bevorsteht. Das Programm der Bundesregierung lässt sich zwar noch nicht endgültig beurteilen, da nicht alle Maßnahmen in diesen vier Bereichen bekannt sind. Die vorliegenden Informationen lassen nach Auffassung der Institute aber erkennen, dass die Vorhaben weit hinter dem zurückbleiben, was zur deutlichen Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen erforderlich wäre. Bei der Arbeitsmarktpolitik werden von den Parteien der Regierungskoalition Maßnahmen erörtert, welche die Wachstumsaussichten sogar verschlechtern würden.

Ein Grund für dieses pessimistische Urteil ist, dass sich die Bundesregierung offenbar nicht dazu durchringen kann, die Eingriffe des Staates dort zurückzuführen, wo der Marktprozess bessere Lösungen liefert, und mehr Eigenverantwortung zuzulassen. Dies zeigt sich exemplarisch an der geplanten Gesundheitsreform. Nach wie vor wird von der Bundesregierung hier eine wesentliche Aufgabe des Staates darin gesehen, die Ausgaben der Privaten bürokratisch zu lenken und durch diverse Eingriffe, wie die Deckelung der Ausgaben und die Fixierung von Preisen, zu begrenzen. Erforderlich wäre hier ein Systemwechsel, der es den Bürgern mehr als bisher überlässt, die Entscheidungen über Art und Umfang der Versicherung selbst zu fällen. Stattdessen gibt es gerade bei den Sozialversicherungen eine Vielzahl von Eingriffen, die überwiegend verteilungspolitisch motiviert sind, wobei im Unklaren bleibt, wer tatsächlich von der Umverteilung profitiert und wer letztlich die Kosten trägt.

Das Defizit der Öffentlichen Haushalte wird zwar deutlich verringert, allerdings erfolgte die Konsolidierung überwiegend auf der Einnahmenseite. Unter Wachstumsgesichtspunkten wäre eine größere Rückführung der konsumtiven Ausgaben, insbesondere der Subventionen, notwendig. Bei der qualitativen Konsolidierung gibt es kaum Fortschritte, vor allem müssen die investiven Ausgaben des Staates wieder erhöht werden. Insgesamt gibt es aber noch beträchtliche Einsparpotentiale, um die Staatsquote weiter zurückzuführen.

Bei der geplanten Reform der Unternehmensbesteuerung soll zwar die tarifliche Steuerbelastung deutlich vermindert werden, die von der Regierung für nötig erachtete Gegenfinanzierung soll aber dadurch gesichert werden, dass ertragsunabhängige Finanzierungskosten besteuert und die Abschreibungsbedingungen verschlechtert werden. Wird der Entwurf umgesetzt, dürfte weder die Entscheidungsneutralität hergestellt noch die Transparenz des Steuersystems erhöht werden. Alles in allem wäre der Wachstumseffekt der Unternehmensteuerreform allenfalls gering.

In der Arbeitsmarktpolitik stehen weit reichende Entscheidungen an. Die Institute sehen die gegenwärtige Diskussion mit Sorge. Zu befürchten sind nämlich völlig unsystematische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Reform des Niedriglohnsektors sowie die Einführung eines Mindestlohnes. Beides halten die Institute im Hinblick auf das Beschäftigungsziel für schädlich.

Die Lohnpolitik hat in den vergangen Jahren einen moderaten Kurs verfolgt und so dazu beigetragen, die Beschäftigungssituation zu verbessern. Dieser Kurs sollte fortgesetzt werden. Insbesondere sollten die Gewerkschaften den durch die Mehrwertsteuererhöhung ausgelösten Preisschub nicht zum Anlass nehmen, deutliche höhere Tariflohnsteigerungen durchzusetzen.

Die EZB hat seit Dezember 2005 den Leitzins auf nunmehr 3,25 % angehoben. Die Institute teilen die Auffassung der Europäischen Zentralbank, dass Risiken für die Preisniveaustabilität bestehen. Sie halten daher einen weiteren Zinsschritt auf 3,5 % bis Ende dieses Jahres für angemessen, zumal die Konjunktur im Euroraum auch im nächsten Jahr aufwärtsgerichtet bleibt.

Eckdaten der Prognose für Deutschland finden Sie hier

Quelle: ifo