Beitragsseiten

 

Knackpunkte von Basel II

Auch wenn sich an den vorliegenden Vorschlägen zu Basel II voraussichtlich nichts grundlegendes mehr ändern wird, so gibt es doch einige Aspekte, die bis zum Schluss stark diskutiert wurden und bei denen es im Detail durchaus noch zu Anpassungen kommen kann. Hierbei handelt es sich insbesondere um das Retailsegment, die Eigenkapitalfinanzierungen, die Laufzeitanpassung sowie die Nutzung nationaler Spielräume durch die jeweiligen Bankenaufsichten.

1. Die Behandlung von Retailkrediten und kmU

Unter „Retailgeschäft“ wurde in der Vergangenheit im Kreditgewerbe vor allem die kleinteilige und weitgehend standardisierte Kreditvergabe an Privatpersonen verstanden. Da die Wahrscheinlichkeit eines gleichzeitigen Ausfalls sehr vieler Schuldner gering ist, wird relativ wenig Eigenkapital zur Absicherung dieser Kredite benötigt. Schon zu einem recht frühen Zeitpunkt der Basel II-Diskussion erklärte sich der Ausschuss dazu bereit, eine Retailregelung im IRB-Ansatz (einheitlich für den Basis- und den fortgeschrittenen Ansatz) analog auch für kleine Unternehmen (bzw. kleine Unternehmenskredite) anzubieten.

Allerdings gingen die Interessen der verschiedenen Verhandlungsdelegationen recht weit auseinander, wobei sich insbesondere die deutsche Seite für großzügige Regelungen zugunsten des Mittelstandes einsetzte. Neben der Frage, wie hoch die Eigenkapitalentlastung im Vergleich zu Unternehmenskrediten ausfallen soll (Ausgestaltung der Risikogewichtungskurve), stellte sich vor allem das Problem der Abgrenzung des Retailsektors. Inzwischen zeichnen sich drei Bedingungen ab, die additiv erfüllt werden müssen:

1. Die Behandlung der Kredite durch die Banken selbst (der sogenannte „Use Test“): Nur Unternehmenskredite, die von Banken auch als Retail behandelt werden (d.h. die anders als Kredite an größere Unternehmen stark standardisiert und automatisiert bearbeitet werden), können als Retail eingestuft werden.

2. Als Retailkredit gilt nur ein Kreditvolumen von einer Million € (konsolidiert, d.h. ein Unternehmen bei einer Bank).

3. Für die Anerkennung als Retailunternehmen wird möglicherweise zusätzlich eine größenbezogene Grenze gelten. Als Arbeitshypothese wird seitens der deutschen Bankenaufsicht z.Zt. eine Jahresumsatzgrenze von 5 Mio. € angenommen.

Die beiden quantitativen Bedingungen erlauben eine recht umfassende Einbeziehung mittelständischer Unternehmen in das Retailsegment – die meisten Unternehmen dürften unterhalb der genannten Grenzwerte liegen. Inwiefern der „Use Test“ hier eine gravierende Einschränkung darstellen könnte, wird erst die Praxis zeigen.

Der Entlastungseffekt bei „Other Retail“ im Vergleich zum Unternehmenssektor variiert nach Ratingklasse und liegt im Durchschnitt bei etwa 50% (vgl. Grafik 3).

basel II

 

Neben „Other Retail“ soll es im IRB-Ansatz zwei weitere Retailsegmente geben. Für private Immobilienkredite ist eine eigene Retailkurve mit höheren Anforderungen geplant, was mit der größeren Abhängigkeit der Kredite von der (Immobilien-) Marktentwicklung begründet wird. Zusätzlich soll es (auf amerikanischen Wunsch) eine weitere, besonders günstige Kurve für revolvierende Darlehen bis 100.000 US$ geben, die insbesondere zu einer Entlastung von Kreditkartenforderungen führen dürfte. Die Besserstellung gegenüber „Other Retail“ beträgt c.p. etwa ein Drittel.

Die Vorteile des Retailsegments für Banken und Kreditnehmer beschränken sich allerdings nicht auf die Eigenkapitalanforderungen. Eine bedeutende Kosteneinsparung wird sich auch dadurch ergeben, dass – auch bei Unternehmen – kein umfassendes Bonitätsrating („Vollrating“) verlangt wird. Stattdessen wird es ausreichen, die Kreditnehmer bestimmten „Risikokörben“ zuzuteilen und Ausfallwahrscheinlichkeit sowie LGD nur für einen Korb insgesamt zu schätzen. Jedoch müssen für diese Berechnung und die Zuteilung zu Risikoklassen Bestimmungsfaktoren der Kreditnehmerbonität, der Verzugsstatus sowie transaktionsspezifische Informationen (z.B. beantragtes Kreditprogramm oder Besicherung) berücksichtigt werden, so dass auch hier auf die Risikomessung nicht vollständig verzichtet werden kann.

Im Standardansatz soll es einen einfachen, ratingunabhängigen Retailansatz für Privatpersonen und kleine Unternehmen geben, bei dem eine einheitliche Kapitalentlastung von 25% gewährt wird.

Die jüngste Entwicklung in der Basel II-Diskussion rund um die kmU stellt das sogenannte Mittelstandssegment dar, von dem im zweiten Konsultationspapier (Januar 2001) noch keine Rede war. Damit die Eigenkapitalanforderungen beim Übergang vom Retail- zum Unternehmenssegment im IRB-Ansatz nicht zu abrupt ansteigen, soll es Entlastungen für Mittelständler (mit einem Umsatz bis 50 Mio. €) geben, die sich nicht für das Retailsegment qualifizieren können. Die Entlastung gegenüber dem Unternehmenssegment soll maximal 20% betragen und mit steigender Unternehmensgröße abnehmen (angestrebter Durchschnittswert 10%). Bei den Anforderungen an das interne Rating gelten jedoch dieselben Anforderungen wie bei größeren Unternehmen.

Insgesamt scheinen die Baseler Vorschläge zur Behandlung von Krediten an Mittelständler inzwischen recht ausgewogen zu sein, auch wenn es in einzelnen Fällen durchaus zu erheblichen Mehrbelastungen im Vergleich zum Status Quo kommen kann.

Quelle: kfw