Vorerst zu wenige Reformen, aber zu viele Steuererhöhungen – diese Botschaft vermittelt nach Einschätzung von Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die Koalitionsvereinbarung von SPD und Union.

Vorerst zu wenige Reformen, aber zu viele Steuererhöhungen – diese Botschaft vermittelt nach Einschätzung von Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die Koalitionsvereinbarung von SPD und Union.

quelle: ihkBraun: "Zentrale Reformen am Arbeitsmarkt fehlen, in den sozialen Sicherungssystemen und bei der Unternehmensbesteuerung sind sie zunächst nur angekündigt. Für 'Vorfahrt für Arbeit' kann und muss sich die neue Regierung mehr zutrauen. Das erhoffte Aufbruchsignal für mehr Arbeitsplätze in Deutschland bleibt deshalb aus. Darüber kann der erkennbare Sparwille ebenso wenig hinwegtäuschen wie gute Vereinbarungen in einzelnen Politikbereichen, zum Beispiel in der Föderalismusreform und beim Bürokratieabbau. Es bleibt zu hoffen, dass es der großen Koalition gelingt, in den nächsten Monaten und Jahren noch an Reformschwung hinzuzugewinnen.

Klare Signale für mehr Beschäftigung fehlen, weil weder beim Kündigungsschutz noch bei den betrieblichen Bündnissen für Arbeit ein Durchbruch erreicht werden konnte. Auch ist bei den Lohnzusatzkosten zu wenig Bewegung in Sicht: Die angekündigte Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wird durch die Belastung bei der Mehrwertsteuer und die Anhebung der Rentenbeiträge aufgezehrt.

Gut ist zwar, dass die beiden Parteien bei der Rente mit 67 über ihren Schatten gesprungen sind. Kurzfristig wird das jedoch nicht wirken. Wir brauchen dringend weitere Reformen in der Rentenversicherung. Denn mit kontinuierlich steigenden Bundeszuschüssen zur Rentenversicherung wird die angestrebte Haushaltssanierung nicht gelingen.

Vor allem mit Reformen im Gesundheitsbereich sowie in der Pflegeversicherung muss die Koalition 2006 zeigen, dass sie die Kraft zu zukunftsfähigen und beschäftigungsfördernden Reformen findet. In der Arbeitsmarktpolitik werden zu Recht gravierende Fehlentwicklungen bei Hartz IV korrigiert. Gut ist auch, dass sich die Koalition vornimmt, die Unfallversicherung ebenfalls bei Organisation und Leistungsrecht zu reformieren.

Mit der dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung im Jahr 2007 und dem Subventionsabbau wird den Bürgern Kaufkraft entzogen – denn es kommt auf der anderen Seite nicht zu entsprechenden Entlastungen bei der Einkommensteuer beziehungsweise den Sozialbeiträgen. Mehrwertsteuererhöhungen, die nahezu ausschließlich zur Haushaltssanierung verwendet werden, wirken als Konjunkturbremse.

Deshalb wäre es besser gewesen, die jetzt präsentierten 25 Milliarden Euro des so genannten Investitionsprogramms nicht für staatliche Aktivitäten auszugeben, sondern bei Bürgern und Unternehmen zu belassen. Das hätte zu Zuversicht beigetragen und zugleich Spielraum für private Investitionen eröffnet.

Die Unternehmen haben zudem vergeblich auf eine vollständige Umsetzung der Jobgipfelergebnisse gehofft. Zwar werden die damals vereinbarten Gegenfinanzierungsmaßnahmen umgesetzt, die angekündigten Entlastungen bei der Unternehmensbesteuerung finden jedoch im Gegenzug so nicht statt. Die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen ist dafür nur ein unzureichender Ersatz. Lediglich die Stundung der Erbschaftssteuer bei Betriebsfortführung ist ein gutes Zeichen – allerdings darf es keine Deckelung des Betriebsvermögens geben.

Durch die Herausnahme der gewerblichen Einkünfte werden immerhin die negativen Folgen der 'Reichensteuer' für die Personengesellschaften verhindert. Es bleibt dabei: Deutschland darf sich eine Neiddiskussion zu Lasten der Leistungsträger nicht erlauben.

Für 2008 ist eine Reform der Unternehmensbesteuerung angekündigt; es kommt entscheidend darauf an, hier schon bald für Klarheit zu sorgen, wohin die Reise für die Betriebe steuerpolitisch geht. Mit einem Erfolg bei diesem ambitionierten Reformprojekt könnte die Koalition rechtzeitig vor Inkrafttreten der Mehrwertsteuererhöhung verlorenes Vertrauen in der Wirtschaft wiedergewinnen.

Beim Bürokratieabbau wagt die Koalition zu Recht neue Wege: Viel versprechend ist vor allem die Einrichtung eines Bürokratie-TÜV, der im Gesetzgebungsverfahren die bürokratischen Lasten geplanter Regelungen abschätzen soll.

Ein guter Schritt ist in jedem Fall die Einigung zur Föderalismusreform. Die Politik sendet damit das Signal, dass sie nicht nur dem Bürger Veränderungen abverlangt, sondern auch selbst dazu bereit ist. Der DIHK ermutigt Bund und Länder, jetzt den zweiten Schritt zu gehen und die Finanzbeziehungen zwischen den Gebietskörperschaften auf ein neues Fundament zu stellen.

Mit der Föderalismusreform einher geht eine noch stärkere Verantwortung der Länder im Bildungsbereich. Wir brauchen hier einen Wettbewerb um die besten Konzepte, nicht aber bildungspolitische Kleinstaaterei. Es ist gut, dass sich die Koalitionäre zum Ausbildungspakt bekennen. Der DIHK wird hier an der angestrebten Fortentwicklung intensiv mitwirken. Allerdings sind die Rahmenbedingungen für den Ausbildungspakt nicht besser geworden. Denn gerade 2007 droht für die sehr ausbildungsintensiven Bereiche des Handels und der Gastronomie durch die Mehrwertsteuererhöhung ein Dämpfer, der auch auf dem Ausbildungsmarkt spürbar werden dürfte.

In der Familienpolitik setzt die große Koalition den richtigen Kurs der Vorjahre fort. Eine bessere Betreuungsinfrastruktur, Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Kooperation von Politik und Wirtschaft sowie das Ziel eines Elterngeldes sind aus Sicht des DIHK richtige Signale."

Quelle: ihk